Wir freuen uns über den Start der Werkstatt in Döbeln, die von Maria Hummitzsch (Übersetzerin aus dem Englischen und Portugiesischen) geleitet wird. An diesem Workshop nehmen 25 Kinder im Alter von 10 bis 17 mit 11 verschiedenen Muttersprachen teil: Rumänisch, Bulgarisch, Polnisch, Portugiesisch, Englisch, Albanisch, Arabisch, Dari, Amharisch, Tschetschenisch und Thailändisch. Hier geht es zur Projektbeschreibung des Döbelner Workshops.
Und hier kommen die ersten Eindrücke:
„Die Muttersprache des Jungen aus Nigeria ist Edo, nicht Englisch wie angegeben. Edo kann er nicht schreiben, sagt er, Englisch zu schreiben habe er in der Schule gelernt, aber die Geschichte wolle er nicht auf Englisch schreiben. Lieber gleich auf Deutsch. Spanisch ginge auch, meint er. Spanisch? Wie jetzt?, aber … Na ja, bevor er nach Deutschland gekommen sei, habe er ein paar Jahre bei Verwandten gelebt. Dabei ist er gerade mal 15. Was für eine Sprachen-Biographie. Vonwegen lost in translation – lost in no Muttersprache, oder doch nicht? Weitere Korrekturen: Der Junge aus Äthiopien spricht nicht Amharisch, sondern Oromo. Gegen die sprachliche Fragmentierung Afrikas hat auch mein popliges Afrikanistikstudium keine Chance. Anders gesagt: Da können wir Europäer sprachlich einpacken. Und doch: gegen Ende des ersten Projekttages schreiben alle. Manche gleich auf Deutsch, manche in ihren Muttersprachen, manche nur ein paar Sätze, manche gleich zwei Seiten. Das Thema steht ihnen frei. Ein paar ernten Wörter aus dem Alphabeet, das wir gemeinsam angelegt haben. Andere wissen sofort, worüber sie schreiben wollen. Wer Krieg erlebt hat und seine Familie vermisst, hat keine Lust auf Märchen. Danke, sagt eins der Kinder am Schluss. Ob es am Montag auch wieder Frühstück für alle gäbe, fragt ein anderes. Brötchen, Kekse, Obstschale – alles leer. Zum Kaffeekochen für uns sind wir gar nicht gekommen, den gab es im Anschluss dann eimerweise. Und Nudeln mit Tomatensoße im Döbelner Kartoffelhaus, ja, genau, so war’s, für 3,50, kein Witz. Mir brummt der Schädel. In den Gliedern stecken Anstrengung und Freude. Was mir besonders nachgeht: Das Mädchen, das sagte, sie habe heute zum ersten Mal seit einem Jahr wieder etwas auf Persisch geschrieben. Und die anderen Kinder, die zunächst gar nicht in ihrer Muttersprache schreiben wollen – ja, auch weil sie stolz sind auf das, was sie schon auf Deutsch ausdrücken können, aber nicht nur. Da ist auch viel Schamgefühl. Ein Hauch von einem Makel. Wie jetzt, ein Schatz soll sie sein, die eigene Sprache? Klar müssen sie Deutsch lernen, um sich zurechtzufinden, zu kommunizieren, sich einzuleben, irgendwann anzukommen, zu lernen – aber doch nicht zum Preis des Vergessens der eigenen Sprache. Und – letzter Gedanke: Neben den Kindern ist der eigentliche Held des Tages der DAZ-Lehrer André Krauß. Er unterrichtet die 24 Kinder sonst allein. Jeden Tag fünf Stunden lang. Und die meiste Zeit bleibt er sehr cool dabei. Gelassen. Zugewandt. Profimäßig. Wirklich beeindruckend!“ (Maria Hummitzsch)
Das Übersetzerteam: Abdel Bakr, Gundel Große, Maria Hummitzsch, Lawan Kongdechadiska, Hewad Laraway, Sergei Medvedev, Violeta Topalova (Samanta Gorzelniak fehlt auf dem Bild).