Was macht man mit Suppe? Isst oder trinkt man sie?
Manche Leute träumen süß. Gibt es auch welche, die bunt träumen?
Die zehn Dinger an den Händen heißen Finger. Und an den Füßen? Sind das Zehen oder Fußfinger?
In einer Sprache heißt es so, in der anderen anders. Aber wie funktioniert das Übersetzen dann?
In der Übersetzungswerkstatt sind alle Schüler*innen des Dreilinden-Gymnasiums eingeladen, gemeinsam mit der Leiterin Leila Chammaa über solche Fragen nachzudenken, zu schreiben, zu übersetzen. Ausgehend von der Recherche zur Bedeutung ihrer Namen beschäftigen sich die Jugendlichen gerade – selbstgewählt – mit der vielfach adaptierten Geschichte von Leila und Madschnun (Madschnūn Lailā). Wer weiß, vielleicht entsteht ein Theaterstück daraus!
Entstanden ist der Workshop aus dem Projekt „Übersetzer unter Schüler*innen“ mit einem Ringseminar für die Oberstufe und einer AG mit Schüler*innen der Willkommens- und Übergangsklassen des Gymnasiums.
Die Workshops sind eine Kooperation des Literarischen Colloquium Berlin mit dem Deutschen Übersetzerfonds und der Berlin Mondiale.
Im Tagesspiegel sind schöne Nachrichten aus dem Drei-Linden-Gymnasium zu lesen, in dessen World Café die Schülerinnen und Schüler der Willkommens- und Übergangsklassen mit Leila Chammaa Übersetzungsworkshops machen:
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Dreilinden-Gymnasium in Berlin-Zehlendorf
Alle Willkommensschüler schaffen ihren Abschluss
Alle 15 Schüler der Willkommensklasse haben einen Abschluss in der Tasche. In ihrem Buch „Yalla“ schreiben sie über das, was sie seit ihrer Flucht geschafft haben.
Susanne Vieth-Entus
Klassenlehrerin Susanne Großmann (vorn) hat die geflüchteten Schüler seit 2015 betreut. Foto: Tagesspiegel / Andrea Trüper
Da stehen sie also in der Sonne vor dem herrschaftlichen Eingang des Zehlendorfer Dreilinden-Gymnasiums. Gerade haben sie fürs Abschlussfoto ihre schneeweißen Oberhemden gegen die knallroten T-Shirts mit dem Schullogo auf dem Rücken getauscht, haben ihre Zeugnisse gezeigt und nochmal erzählt, wie sie das alles geschafft haben.„Geschafft“ – dieses Wort hat eine besondere Bedeutung für die Willkommensschüler des Dreilinden-Gymnasiums. Denn sie haben mit ihren Lehrern und Betreuern ein Buch verfasst („Yalla“) über das, was sie in den zwei oder drei Jahren seit ihrer Flucht geschafft haben – aber auch über das, was sie geschafft, also besonders belastet hat.
Manches davon kam zur Sprache bei der Abschlussfeier am Mittwoch, als es auch am Dreilinden-Gymnasium Zeugnisse gab und als die beiden 17-jährigen Klassensprecher Kayhan und Iyad auf der Bühne standen, um sich bei ihren Lehrern – vor allem bei ihrer Klassenlehrerin Susanne Großmann und Schulleiter Jens Stiller zu bedanken.
44 Stunden Förderung pro Woche
Die wichtigste Botschaft an diesem Tag: Alle 15 Schüler der Willkommensklasse haben einen Abschluss in der Tasche – entweder die Berufsbildungsreife oder sogar einen so guten Mittleren Schulabschluss, dass sechs von ihnen das Abitur anpeilen können. Aber es gab noch weitere wichtige Botschaften. Etwa die der Schüler, dass die Schule „oft der beste Platz des Tages war“.
Tatsächlich haben die Jugendlichen sogar extrem viel Zeit am Dreilinden-Gymnasium verbracht, denn die Schule bündelte die personellen Ressourcen so, dass die Schüler 44 Stunden pro Woche gefördert werden konnten – von 8 bis 17 Uhr.
Neben „Yalla“ entstand noch ein weiteres Buch, außerdem gab es etliche Projekte und Klassenfahrten. Schon im Sommer 2016, als die Flüchtlinge erst ein halbes Jahr an der Schule waren, war – wie damals berichtet – zu merken, dass das Sprachlernkonzept zusammen mit einem „World Café“, einem Arabisch-Deutsch-Projekt des Literarischen Colloquiums, Koch- und Kunstprojekten sowie der Förderung und Begleitung durch „Paten“, aufging – so sehr aufging, dass das Gymnasium bereits vor zwei Jahren als eine von sechs Schulen bei der deutschlandweiten Aktion „Schüler helfen Flüchtlingen“ ausgezeichnet wurde.
Im Rahmen des Projekts „Übersetzer unter Schülern“, eine Kooperation des Literarischen Colloquiums und dem Deutschen Übersetzerfonds mit dem Drei-Linden-Gymnasium in Zehlendorf/Wannsee wurde das Konzept der Erzählwerkstätten“In zwei Sprachen zuhause“ mit den Willkommens- und Übergangsklassen des Gymnasiums weitergeführt. Unter Leitung von Leila Chammaa geht es diesmal um das Übertragen von Sprichwörtern. Was haben wir unter anderm gelernt:
Lügen sind eine Sackgasse.
Der frühe Vogel fängt den Wurm.
Die Kapuze nach dem Regen aufsetzen.
Spiel nicht mit dem Schwanz des Löwen (die arabische Version von Spiel nicht mit dem Feuer).
Das Projekt wird durch den Projektfonds Kulturelle Bildung gefördert.
World Cafe mit Leila Chammaa, Drei-Linden-Gymnasium Berlin, Fotos: Tobias Bohm
Solange es noch Exemplare von der Publikation zu „In zwei Sprachen zuhause“ gibt, kann man sie in der Geschäftsstelle des Deutschen Übersetzerfonds (mail@uebersetzerfonds.de) bestellen; wir schicken sie gerne zu.
Liebe Schüler des Max-Taut-Oberstufenzentrums, die in der Bibliothek Luisenbad mit Leila und Ilke bei unserem Projekt mitgemacht haben: bitte meldet Euch, wir würden Euch gerne Bücher schicken! Am besten, Ihr sendet eine Mail an mail@uebersetzerfonds.de; wir können auch ein Paket an die Schule schicken, wenn das einfacher ist. Danke für eine kurze Rückmeldung.
Sie sind da! Die Geschichten der Kinder und Jugendlichen, die bei unserem Erzählprojekt „In zwei Sprachen zuhause“ mitgewirkt haben.
Die Publikation ist in der Geschäftsstelle des Deutschen Übersetzerfonds erhältlich; wer zu den Jubiläumsfeierlichkeiten kommende Woche kommt, kann sich dort ein Exemplar mitnehmen. Kommt und lest zahlreich!
Wir danken allen, die das Projekt ermöglicht und umgesetzt haben und hoffen, dass möglichst viele Bücher die jungen AutorInnen erreichen.
Und wünschen allen teilnehmenden Kindern und Jugendlichen, dass sie, wie Asma aus Afghanistan schreibt, an sich glauben und niemals aufgeben.
Das Konzept von „In zwei Sprachen zuhause“ wurde vom Poetenfest Erlangen adaptiert, wo Übersetzerin Larissa Bender mit Unterstützung des Autors Hamed Abboud einen Workshop für geflüchtete Kinder und Jugendliche leitete.
Wir freuen uns, dass das Erzählprojekt Kreise zieht!
Die Erlanger Nachrichten berichteten über die Lesung mit den jungen AutorInnen, die zum Teil von den ca. 50 PublikumsteilnehmerInnen wohl etwas eingeschüchtert waren:
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Projekt für Geflüchtete überraschte am Erlanger Poetenfest
Acht junge Menschen berichteten über ihre Erfahrungen – 29.08.2017 15:00 Uhr
ERLANGEN – Das erste Mal einen Text vor Publikum vortragen. Und dazu noch den eigenen. Eine echte Herausforderung! Im Rahmen des Erlanger Poetenfests hat ein Literatur-Workshop für junge Geflüchtete stattgefunden.
„Malak ist frei – und sie soll es auch bleiben.“ Die junge Frau aus Syrien hat den letzten Satz ihres Textes in der dritten Person geschrieben. Als ob sie immer noch etwas überrascht auf sich selbst blickt. Was sie dabei sehen kann?: Ein zierliches Mädchen, staunend in einer neuen Heimat. Ein Land, in dem Männer in der Küche mithelfen, Mädchen Fahrrad fahren und ihre Meinung sagen dürfen.
Im Rahmen des Poetenfests haben sich unter dem Motto „Ankommen in Deutschland“ acht junge Menschen zusammengefunden, um mit der Übersetzerin Larissa Bender und dem Autor Hamed Abboud über sich und ihre Erfahrungen Texte zu verfassen. Nun sie sitzen auf einer Wiese im Botanischen Garten vor ein paar Dutzend Neugierigen, halten Mikrofone in der Hand und sind sichtbar nervös. Kein Wunder. Die meisten haben jenseits der Schule oder eines Tagebuchs noch nie Texte geschrieben, die dann auch noch vorgelesen werden sollen. Doch Al Saffan und Bender gelingt es schnell, die Unsicherheit beiseite zu wischen. „Heute sind wir hier alle für euch wie eine große Familie.“
Aufmerksam und bewegt hört das Publikum zu, wenn beispielsweise immer wieder von der Dankbarkeit berichtet wird, die diese jungen Menschen den Deutschen gegenüber empfinden.
Fast alle hoffen irgendwann einen Beruf ergreifen zu können, mit dem sie anderen Menschen helfen können. Sei es nun als Arzt, Erzieherin oder Ingenieur. Im Idealfall, in der alten Heimat — wenn dort endlich wieder Frieden herrscht.
Es geht viel um Wünsche und Träume in den kurzen Texten, die zum Teil auf Arabisch verfasst und dann übersetzt wurden oder gleich auf Deutsch entstanden sind. Zudem rücken die Besonderheiten in den Fokus, die in Deutschland auffallen. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Höflichkeit — aber auch seltsame Ringe in der Nase und der erstaunliche Alkoholkonsum der Menschen. Oder — passend zum Poetenfest: „Das deutsche Volk besteht aus Bücherwürmern.“
Dem Literatur-Nachwuchs ist der Spaß anzumerken. Und Bender und Abboud staunen mit dem Publikum zu Recht über das eine oder andere Dichter-Talent. Auch die Poetenfest-Macher sind — trotz großem Organisationsaufwand — von der Wichtigkeit dieses Beitrags zur Integration überzeugt. Eine Wiederholung im kommenden Jahr ist fest angepeilt.
Aus der Schreibwerkstatt in Stuttgart-Bad Cannstatt
Hallo Papa,
seit drei Jahren habe ich Dich nicht gesehen und ich weiß nicht, wie es Dir geht. Ich hoffe, dass es Dir gut geht. Ich wünschte ich könnte Dich wiedersehen.
Mir geht es gut. Ich wohne mit einer netten Frau zusammen und sie passt gut auf mich auf.
Ich lag alleine unter dem Baum am Straßenrand. Dort hat mich eine liebe Frau gefunden. Sie passt gut auf mich auf. Sie hat für mich eine Freundin gefunden und wenn sie nicht zuhause ist, passt die Freundin auf mich auf.
Lieber Papa, ich vermisse Dich. Manchmal weine ich nachts, weil ich so traurig bin und Dich so lange nicht gesehen habe. Ich weiß nicht wo meine Geschwister sind und wo meine Mutter ist.
Heute sitze ich mit ein paar lieben Freundinnen zusammen, die mir helfen, Dir diesen Brief zu schreiben.
Hallo, ich bin Zahra. Ich möchte über mein Land und über Deutschland schreiben.
In Deutschland gibt es viele Dinge, die es in meinem Land nicht gibt. Zum Beispiel sind die Supermärkte sehr groß und es gibt viele Lebensmittel. Hier tragen die Frauen keine Kopftücher. In Afghanistan sind die Menschen Muslime.
Viele Mädchen in Afghanistan können nicht in die Schule gehen. Hier können alle in die Schule gehen.
In Afghanistan haben viele Leute keine Arbeit. In Afghanistan gibt es Krieg. In Deutschland gibt es Frieden. In Afghanistan sind viele Leute arm. Hier sind die Menschen zufrieden.
In Deutschland gehen die Leute zur Arbeit und ihre Kinder gehen in die Schule. In Afghanistan können die Kinder nicht zur Schule gehen. Es herrscht Arbeitslosigkeit. Die Menschen müssen trockenes Brot essen, wobei einige Leute sogar verhungern.
In Afghanistan wird mit Ofen geheizt. Hier gibt es eine Zentralheizung. So etwas gab es in Afghanistan nicht. Dort haben manche nicht mal einen Ofen.
Hier können sich die Menschen sehr gut ernähren, aber in Afghanistan ist das nicht möglich. Ohne Arbeit gibt es kein Essen.
In Afghanistan gibt es Krieg, aber hier gibt es keinen Krieg.
Hier herrscht Frieden. Die Menschen sind frei. Die Jugend wird nicht im Krieg getötet. In Afghanistan werden viele junge Leute im Krieg getötet.
In Deutschland gibt große Supermärkte wie Aldi, Kaufland und Lidl, die viele Sachen haben. In allen Städten Deutschlands tragen die Supermärkte die gleichen Namen. Aber in Afghanistan gibt es in jeder Straße nur zwei oder drei kleine Läden.